Fast zu offensichtlich ist die Metapher, die hier Anwendung findet: Die Kunst stellt sich dar an einem Ort, der ihr ähnelt in seiner Intention und zugleich seine Verteilerfunktion beibehalten kann. Die Ausstellung "Aggregatzustand" findet statt im ehemaligen elektrischen Umspannwerk am Paul-Linke-Ufer dort, wo 60 Jahre lang Bewag-Strom auf Haushaltsstärke heruntergespannt wurde. Und diese Transformation, die Absicht der ständigen Verwandlung ist es doch, die auch der Kunst innewohnt. Mehr als 40 Künstler aus aller Welt haben sich in den letzten zehn Tagen von dem expressionistischen Backsteinkomplex der 1989 demontiert wurde und seitdem nicht für neue Aufgaben genutzt wird zu Arbeiten über Energie inspirieren lassen. "Aggregatzustand" kann gewissermaßen als No-Budget-Produktion bezeichnet werden, denn außer privaten Unterkunftmöglichkeiten und dem Raum zum Arbeiten konnte den Teilnehmern nichts versprochen werden. Bisweilen unter Strom Das Ergebnis thematisiert selten so direkt wie Philip Nichols in Kupferplatten eingravierte Glühbirnen den Punkt, wohin der Strom fließt. Eine Vielzahl der Installationen zeigt sich hingegen sichtlich fasziniert (und mitunter fast hilflos) angesichts der Größe des Gebäudes, der Tiefe von Räumen, die sich in völliger Finsternis verlieren. Höchst dramatisch wird hier der Macht Elektrizität gehuldigt, deren Abwesenheit eine Art gespannte Leere hinterlassen hat. Luke McKeown simuliert mit zirpenden, tropfenden Geräuschen das Eigenleben einer riesigen Maschine, Viviana Martinez-Tosar inszeniert einen stillen Raum, über den alte Schaltpläne verstreut sind, Tamar Raban lockt in die Schwärze des Kellers, durch den Laufschritte und schweres Schnaufen hallen, der nur mit wenigen Taschenlampen punktuell erhellt werden kann. Der "Spiegelbrunnen" von Sachsenmaier & Sander ist ein ozeanblauer Globus in einer theatralisch erhöhten Säule; bizzelnde Energieströme formieren sich zu fragilen Mustern. Was zuletzt doch erstaunt, ist die ironiefreie Ernsthaftigkeit und Ab- straktion der hier entstandenen Werke. Einzig Kyon stellt mit seinem "Elektrischen Engel" die Ausnahme von der Regel dar, denn die Babywanne mit schwimmender Gummiente entwickelt eine amüsante ortsgebundene Geschichte: Ein Schacht im Keller ist wegen der Nähe zum Landwehrkanal mit Grundwasser vollgelaufen, eine Pumpe transportiert dieses Wasser nun durch ein gutes Dutzend Kaffeemaschinen bis hin zur Wanne wieder eine Metapher einer fein verästelten Energieverteilung. Aggregatzustand bis 5. September im ehemaligen Umspannwerk am Paul-Linke-Ufer 19 22 (Kreuzberg), täglich von 15 bis 19 Uhr, der Eintritt ist frei