Non Video

Seltsam im Nebel zu wandern

hier ist alles Schein,

keiner kennt den andern

jeder ist allein!


Ich bin der Nebel.

Dichter Nebel

Blinder Künstler Dichter Nebel.


[es gibt keinen Zufall Homer,

sage ich, aber der Blinde tappte weiter:

„Das Erste, murmelte er, das Erste, was sie dir nehmen

sind deine Augen.

Du brauchst sie hier nicht mehr."

Hier im Schatten.

Alles ist weit entfernt und ohne Rand, weich und angenehm.]


Ich sehe nicht.

Ich sehe nichts!

Zum Schluß auf dem linken Auge blind [!] und

auf dem rechten noch 20% Sehkraft.

Es ist sehr dunkel und die Welt hinter einem Milchglasschleier, der alles

sanft macht, keine Kanten, nur runde verschieden getönte Flächen.

Es gibt keine 3. Dimension mehr und deshalb tummle ich mich auf der Asphodeloswiese; zusammen mit den anderen Schatten



Ich bin eingesperrt in meinem Körper, in einem unbekannten Anzug, der mir nicht gehört, und der mir nicht passt und nicht (mehr) gehorcht. Weil ich nichts sehe, habe ich das Gefühl auch nichts zu kennen:

Ich sitze hinter meinen dunklen Augenhöllen und alles zieht sich dort zusammen:

Ein fiktiver Punkt ICH.

Aber ohne Ausweg! Ich sehe nichts, ich fühle nichts, ich komme hier nicht mehr heraus:

Locked in. Ich bekomme Atemnot. Hier kommst du nicht mehr hinaus, heraus, aus diesem Anzug, der ursprünglich maßgeschneidert gewesen war und mich jetzt fest umschließt und zusammendrückt wie eine Hülle aus Neopren.

Ich versinke in einer Depression. Das alles ist existenzbedrohend und führt soweit, dass ich mir überlege, welche Wege es wohl gäbe (gebe) zu entkommen.

But „Nobody gets out here alive“ wußte schon Jim Morrisson.

(link zur Lesung in der Charité)



Jede Treppenstufe wird zur Falle, erweist sich als tückisches Hindernis, wenn etwas in der Wohnung verstellt ist -Wahnsinn! Und meine Brille (eine von den vielen, die alle nicht helfen) finde ich nicht mehr. Ich lege sie oft auf eine Tasse oder ein Glas um einen gewissen Kontrast zu erzeugen, nützt nix. Nichtsnützt. Nichtsnutz!

Ich vergesse mich zu rasieren, ich sehe mich ja nicht.

Meine Umgebung reagiert vorsichtig genervt; ich fühle, niemand will so recht glauben, dass ich nichts mehr sehe.


Ist das die Strafe weil ich zuviel gesehen habe? Strafen mich die Götter jetzt mit der ewigen Nacht?

Der Seher wird mit Blindheit geschlagen, weil er zuviel gesehen hat, Dinge, die er nie hätte sehen dürfen. Aber dies ist wohl das Los eines Sehers, eines Künstlers:

zu sehen, wo niemand anderes Augen hat!



„Einen Augen-Blick bitte“, der graue Star kam immer näher.

„Was möchtest du denn“, frage ich.

„Ich werde mir ein Nest in deinen Augen bauen...“



heute, 17.Mai 2016

Die 2. Augen-OP von 10:30 bis 12:30.

Die Patienten sind eingetaktet in ein Uhrwerk, ein Räderwerk dessen einziger Antrieb aus Schwester Martina zu bestehen scheint. Sie macht den Empfang, zählt das Geld (das ich in Cash bezahlen muss, weil ich keine Krankenversicherung habe, und das mir mein Freund Michael und meine liebe Schwester geschenkt haben -Danke, Danke), Martina druckt und stempelt Bescheinigungen, schreibt Rezepte, hilft den Patienten in die Operationskleidung, legt die EKG-Elektroden an, schiebt die OP-Bahre hin und her, führt die frisch operierten Patienten heraus ins „Aufwachzimmer“, das in Personalunion mit dem Wartezimmer geführt ist, öffnet die Außentüre für neue Kunden, kocht und verabreicht Kaffee, misst abschließend den Blutdruck, fragt, ob ich meiner Schwester und dem Michel schon ein Bild gemalt habe als Dankeschön, erzählt von dem Kirschbaum in ihrem Garten und dass sie ein Sproß aus dem Geschlecht der Malerfamilie Otto Nagel (-muss ich den kennen?) ist.


Was mich morgen erwartet, wenn der Verband am Auge ab ist?

Während der ersten OP am anderen Auge, Mitte April, wachte ich mitten in der Operation aus der Narkose auf, sah den Operateur wie er sich über mich beugte, mich anstarrte, in meinem Auge ein gleissendes helles Rechteck und darauf eine etwas schräg liegende Platte, die die gleichen Maße hatte aber etwas verkanntet war.

„Augen offen halten“ stammelte ich und versank wieder in Morpheus Armen.



Diesmal wachte ich erst am Ende der OP auf, der Arzt (Dr. Vogt, den ich seitdem verehre) war schon weg, das Auge, das linke ganz helle aber ohne Fokus, wurde gerade gespült, dann der Augenverband mit der Anweisung: machen sie das rechte Auge auf, von Schwester Martina.

Als ich aus dem OP-Raum geführt wurde, so groß wie unsere kleine Küche, stand da der Operateur und ich sagte vielen Dank und etwas von einem neu-geschenkten Leben und seiner genialen Arbeit und der Arzt lächelte geschmeichelt hinter seiner OP-Maske und freute sich.


Bei der Nachuntersuchung am nächsten Tag: 100% Sehkraft! Ich trage zuhause eine Sonnenbrille. Das Licht blendet mich.









Operation Grauer Star 26.4.2016

VIDEO!


Die Augenklappe ist ab, die Bilder, die jetzt so lange darauf gewartet haben, dass ich sie betrachte, springen mir ins Auge, eigentlich direkt in den Kopf!

Die Welt ist viel heller, als ich sie mir vorgestellt hatte, deutlich heller. Ich sehe Dinge von denen ich keine Ahnung hatte, dass es sie gibt.

Ich sehe! Ich sehe!

Alles fast unerträglich scharf. Es tut richtig weh.


Als mich Flavie zur Operation führte, standen wir vor einen schmalen Tür.

Ein fast unsichtbares kleines Schild: Bitte klingeln.

Kein Blinder je, hätte dies gefunden.

Vielleicht deshalb irrt er noch blind umher,

er, den sie den Seher nennen,

er hatte ja keinen Führer (Gottseisgelobt),

hätte vielleicht den Vater von Aeneas wählen können:

aber der war ja auch blind, wie alle dort unten.


Kyon 7.3.2021